Katzen, so sagt man, seien mystische Wesen. Im Alltag merkt man davon meist nicht viel. Begriffe wie „unverschämt“ oder „amüsant“ fallen mir da schon eher ein. Aber dann passiert etwas, das man nicht anders, als „mysteriös“ bezeichnen kann und schon lächelt man nicht mehr ganz so breit über jene, die sagen, Katzen hätten magische Fähigkeiten. Mir fällt dazu ein Ereignis ein, bei dem ausgerechnet die Katze eine Hauptrolle spielt, die von allen Katzen, die ich persönlich kenne, die hässlichste war und am wenigsten so aussah, als könne sie in irgend einer Art mysteriös sein. Sie war alt, dick, hatte braun-gelb-gefleckte Glubschaugen in einem Pfannkuchengesicht und einen Schlabberbauch, der bei jedem Schritt hin- und her wabbelte. Zwar war sie eine vierfarbige, also angebliche Glückskatze, doch sie selber hatte wenig Glück. Als ich sie das erste Mal sah, war sie schon im fortgeschrittenen Alter von 14 Jahren und ihre Besitzer brachten in die Tierarztpraxis, in der ich Ausbildung machte, zum Einschläfern. An ihren damaligen Namen kann ich mich gar nicht mehr erinnern, die Besitzer sagten, sie wäre zwar soweit gesund und munter, doch wäre sie jetzt nicht mehr stubenrein und da das Tierheim ja Tierquälerei sei, wolle man sie doch lieber „erlösen“.
Jedenfalls kam Bombie, wie sie aufgrund ihrer Figur von uns genannt wurde, in unsere WG, die aus 6 Menschen, 2 Katzen und 2 Hunden bestand. Hier stellte sich sehr schnell heraus, dass Bombie keineswegs „nicht mehr stubenrein“ war, sondern aufgrund ihrer altersbedingten Steifheit in den Hinterbeinen lediglich nicht mehr richtig in die Hocke gehen konnte und somit auf dem Katzenklo ein paar Tröpfchen daneben gingen. Abhilfe schaffte ein Katzenklo mit Deckel. Unsere bisher schon schlechte Meinung der Vorbesitzer verschlechterte sich durch diese Tatsache natürlich noch um ein gutes Stück, aber die Hauptsache war ja, dass Bombie gerettet war und noch einen netten Lebensabend bei uns verbringen kann, so dachten wir.
Doch Bombie sah das anders. Diese ganze WG-Sache war nicht so ihrs. Mienchen und Raven, die jungen wilden Katzen machten sich einen Spaß daraus, sie zu erschrecken und zu vermöbeln, Spike und Ewing, die Hunde, lagen immer auf den Sesseln und Sofas, auf denen eigentlich sie liegen wollte, die vielen Besucher, die ein und aus gingen, die laute Musik, all das passte ihr ganz und gar nicht und so zog sie zu einem älteren Ehepaar in der Nachbarschaft, wo sie das einzige Haustier war und einen rosa Futternapf sowie die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eheleute bekam. Auch einen in ihren Augen sicherlich sehr viel besser passenden Namen gab man ihr und taufte sie „Felizitas“.
Nach ihrem plötzlichen Verschwinden machten wir uns natürlich sorgenvoll auf die Suche nach ihr und hängten in der ganzen Straße Zettel auf. Irgendwann meldeten sich die Nachbar bei uns. Wir vereinbarten mit ihnen, dass sie ihr nichts mehr zu essen geben sollten, damit das undankbare Tier wieder zu uns, ihren großherzigen Rettern, zurückkäme. Sie kam dann auch. - Morgens und abends zum Essen, nur um dann schnurstracks nach Beendigung des Mahls wieder im Nachbarsgrundstück zu verschwinden. So beugten wir uns schließlich alle ihrer Entscheidung und unsere Bombie wurde zu Felizitas aus dem Nachbarhaus.
Nette Geschichte, werdet ihr jetzt sagen, aber so wirklich mysteriös ist das ja nun nicht. – Aber Achtung, denn erst jetzt wird es unheimlich: Eines unserer 3 WG-Mädels war Bombies Lieblings-Mensch bei uns im Haus gewesen. Bei ihr – nennen wir sie Moni - hatte Bombi mit im Bett geschlafen, sie fand die wirklich unbestritten hässlich zu nennende Katze „auf eine bizarre Art schön“, beide teilten eine merkwürdige Vorliebe für eingelegte Oliven, davon aßen sie ungelogen mindestens einmal im Monat zusammen ein Glas. Kurz gesagt, die beiden verband eine tiefe Freundschaft. Auch hatte Moni Bombies Auszug am härtesten getroffen und sie sprach noch oft von „ihrer kleinen Bombie-Bombe“.
Das ganze war nun schon mindestens 2 Jahre her und man sah Bombie nur ab und an zufällig auf der Straße, unser Haus hat sie nie mehr betreten. Bis zu jenem Morgen, an dem Moni auszog, denn sie würde die nächsten 3 Jahre in London verbringen. Der Flieger ging mittags, als ich morgens aufstand und in die Küche kam, stand Bombie auf dem Küchentisch wie eine Erscheinung aus einer vergangenen Zeit und motzte mich an. Ich war natürlich ziemlich geplättet, sie nach mehrjähriger Abwesenheit so unverhofft wieder zu sehen. Sie sprang vom Tisch, lief mit heftig hin- und herschwabbelndem Schlabberbauch zu der noch verschlossenen Tür besagter Mitbewohnerin und machte das Geräusch, dass sie als Maunzen zu benutzen beliebte (eine Art Mischung aus Ziegengemecker und Katzenmiauen, etwa so: Mhä-ä-ä). Also öffnete ich die Tür einen Spalt breit und ließ sie in das noch dunkle Zimmer. Dann machte ich mir einen Kaffee und kam ins grübeln. Warum war sie ausgerechnet an diesem Morgen gekommen? Woher hatte sie gewusst, dass dies die letzte Möglichkeit war, ihrem Lieblingsmenschen Lebewohl zu sagen? Wir hatten keine Koffer in den Garten gestellt oder sonstige Aktivitäten veranstaltet, die darauf hätten schließen lassen können. Es gab keinerlei Erklärung für ihr plötzliches Auftauchen an ausgerechnet diesem Morgen, wir hatten die Wahl, es je nach Veranlagung und Glauben als „Zufall“ oder „Mysterium“ anzusehen.
Die nächsten Stunden verbrachten Bombie und die zu Tränen gerührte Moni in trauter Zweisamkeit. Erst als das Taxi vor der Tür stand, bekam Bombie ihren letzten Kuss auf die breite Stirn, ging, nachdem das Auto abgefahren war, mit steif erhobenem Schwanz und ohne uns anderen auch nur eines Blickes zu würdigen zurück in ihr neues Zuhause und ward nie wieder bei uns gesehen.
Ca. ein Jahr später starb sie im stolzen Alter von 19 Jahren. Und irgendwie hatten wir alle das Gefühl, eine mystische Seele in einem ganz und gar unmystischen Körper hatte uns nun endgültig verlassen.
Nur mein Freund meint nach wie vor, dass sei reiner Zufall, dass eine Katze sich in insgesamt mehr als drei Jahren nur ein einziges Mal bei uns blicken ließ, genau an dem Tag, an dem ihre „Besitzerin des Herzens“ weg geht. – Naja, Männer …
Miaow, Eure Kitty
Sonntag, 2. Mai 2010
Bombies Besuch
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